Leitbilder, Ziele und Arbeitsgrundsätze

1. Leitbilder und Ziele

Frauen-Notrufe engagieren sich seit über 30 Jahren in dem gesellschaftlichen Themenfeld "Sexualisierte Gewalt". In den Einrichtungen arbeiten (bezahlte und unbezahlte) Fachfrauen mit feministisch-parteilicher Einstellung auf gesellschaftspolitischer Ebene und bieten betroffenen Frauen ein umfassendes Hilfs- und Beratungskonzept.

In vielen Frauen-Notrufen richtet sich das Angebot auch an Mädchen.

Sexualisierte Gewalt umfasst Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuellen Missbrauch ebenso wie alltägliche Belästigungen oder organisierte Formen sexualisierter Gewalt. Sexualisierte Gewalthandlungen gegen Frauen und Mädchen stellen Übergriffe auf ihre körperliche und seelische Integrität dar; es handelt sich primär um Angriffe auf ihr Selbstbestimmungsrecht. Die zentrale Motivation der Täter besteht in der Ausübung von Macht und Gewalt über Frauen und Mädchen. Der Einsatz von sexuellen Handlungen bei der Gewaltausübung stellt eine Verschärfung der Gewalttätigkeit dar.

Frauen-Notrufe verstehen sexualisierte Männergewalt als Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Langfristige Ziele der Arbeit sind daher die Veränderung struktureller Ursachen der Gewalt und die Schaffung einer selbstbestimmten und gewaltfreien Lebenswirklichkeit für Frauen und Mädchen. Leitende Handlungsprinzipien in der konkreten Arbeit sind die Verbesserung der Situation der Betroffenen, der Aufbau neuer Lebensperspektiven durch unterschiedliche Hilfsangebote und die Sensibilisierung einer breiten gesellschaftlichen Öffentlichkeit sowie verschiedener Berufsgruppen und Fachkreise für das Thema sexualisierte Gewalt. 

2. Spezifischer Ansatz der Frauen-Notruf-Arbeit

Die Spezialisierung auf die Thematik "Sexualisierte Gewalt" ermöglicht es, in diesem Themenfeld ein umfassendes und ganzheitliches Angebot für betroffene Frauen und Mädchen zur Verfügung zu stellen. Das Angebot geht über eine allgemeine Lebens- und Sozialberatung hinaus. Dies ist notwendig, da sexualisierte Gewalterfahrungen von Frauen und Mädchen so vielfältig und teilweise so massiv sind, dass tiefgreifende Kenntnisse von unterschiedlichen Bereichen (Sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, Sexueller Missbrauch, Kinderpornographie, etc.) für eine effektive Beratung erforderlich sind. Darüber hinaus sind die Opfer sexualisierter Gewalt oftmals so umfassend in ihrer Gesamtpersönlichkeit von den Folgen der Tat betroffen, dass vielfältige Problemlagen zu bewältigen sind (Arbeitsunfähigkeit, Betreuung der Kinder, ausländerrechtliche Fragestellungen, Drogenkonsum, etc.). Dies setzt einen entsprechend breit gefassten Beratungsansatz voraus. Die zum Teil schweren Traumatisierungen und die Kette von Gewalt, die in nicht wenigen Fällen mehrere Familiengenerationen umfasst, erfordern gleichfalls spezifische Ausbildungen (Psychotraumatherapie, etc.). und therapeutische Erfahrungen.

3. Organisationsstruktur und zentrale Arbeitsgrundsätze

Frauen-Notrufe werden von unabhängigen, gemeinnützigen Vereinen getragen, in denen sich Frauen für Frauen und Mädchen engagieren. Sie sind konfessions- und parteiunabhängig. Die einzelnen Frauen-Notrufe sind lokal je nach den örtlichen Gegebenheiten als eigenständige Beratungsstelle oder in gemeinsamer Trägerschaft mit einer Frauenberatungsstelle oder einem Frauenhaus organisiert. Entsprechend heterogen ist der Umfang des Angebotes und die Ausstattung vor Ort.

Frauen-Notrufe verfolgen in ihrer Arbeit einen parteilich-feministischen Ansatz. Die Wünsche, Interessen und die jeweiligen Anliegen der betroffenen Frauen und Mädchen stehen im Mittelpunkt. Die Beratung ist kostenfrei, erfolgt in einer geschützten Atmosphäre und ist auf Wunsch anonym. Die Mitarbeiterinnen unterliegen der Schweigepflicht.

Die Betroffenen werden aufgrund des ganzheitlichen Angebotes der Frauen-Notrufe nicht auf ihre Gewalterfahrungen reduziert. Durch die Kombination von akuter Krisenbewältigung, Beratung, Begleitung, Psychotraumatherapie, Präventionsarbeit, Sozialarbeit und langfristiger Hilfe wird den Betroffenen Unterstützung für die Bewältigung des Alltags gegeben und der Aufbau langfristiger Lebensperspektiven ermöglicht. Gute Erreichbarkeit der Frauen-Notrufe, möglichst geringe Wartezeiten, abgestimmte Beratungszeiten und niedrigschwellige Angebote sind weitere Organisationsprinzipien, die zur Verwirklichung eines effektiven Unterstützungsangebotes beitragen.